"Geht aufeinander zu!" - Abschied vom PBS

Beratung

Gisela Degener verabschiedet sich nach 38 Jahren im Psychologischen Beratungs-Service.

„Geht aufeinander zu!“ Diesen Rat gibt Gisela Degener Studierenden mit auf den Weg, wenn sie Ende November den Psychologischen Beratungs-Service (PBS) nach 38 Jahren verlässt. Tausende Studierende hat sie in dieser Zeit eng begleitet. Auch nach fast vier Jahrzehnten, in denen sie für Universität und Studierendenwerk Oldenburg im Einsatz war, ist sie begeistert von ihrer Arbeit: „Ich hatte einen tollen Job!“, lautet ihr Fazit. Besonders bewegend sei es immer, wenn sich Klientinnen und Klienten viele Jahre später bei ihr meldeten und berichteten, wie sehr der Anstoß, den sie im PBS bekommen haben, ihr Leben verändert hat.

Von nikotingelben Wänden und großen Gestaltungsspielräumen

"Einzig die Bürokratie und Regulierung, die über die Jahre gewachsen ist, wird mir nicht fehlen“, ist sich Degener sicher. Ein Beispiel: Als sie ihre Stelle 1987 antrat, fühlte sie sich in dem winzigen Büro mit nikotingelben Wänden nicht wohl. Kurzerhand besorgte sie einen Eimer Farbe und strich nach Feierabend die Wände. Einen Antrag auf Renovierung stellen? Einsprüche gegen ihren beherzten Einsatz auf der Leiter? Gab es damals nicht.

Und auch inhaltlich waren die ersten Jahre von großer Freiheit geprägt: Ein junges Team in einer neu gegründeten Einrichtung an einer ebenfalls erst wenige Jahre alten Universität – da waren die Gestaltungsspielräume riesig. Viel Raum zum Gestalten erlebt Gisela Degener aber bis heute in ihrer Arbeit. Nicht mehr mit dem Farbeimer und häufig unter Einbeziehung des ein oder anderen Gremiums: Aber neue Ideen umzusetzen, das fiel ihr nie schwer.

Inspiration durch junge Menschen

Und woher nimmt man neue Ideen, wenn man über viele Jahrzehnte scheinbar die gleiche Arbeit tut? Gisela Degener muss nicht lange nachdenken: „Das Umfeld ist einfach inspirierend. Die Uni und die immer wieder neuen jungen Menschen mit ihren frischen Ideen sorgen dafür, dass man nicht in eingefahrenen Denkmustern stecken bleibt – vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein.“

Studierende damals und heute: Ängste und Herausforderungen

Im Rückblick auf fast vier Jahrzehnte Arbeit mit Studierenden hat die Psychotherapeutin zahlreiche Studierendengenerationen beobachtet, die bei aller Individualität der einzelnen Geschichten doch große Themen gemeinsam hatten.

„In den 1980er Jahren waren viele Studierende geplagt von großen Ängsten: Die Gefahr eines Atomkriegs war im ausgehenden Kalten Krieg spürbar, auch die Angst vor Umweltzerstörung und allgemeine Existenzängste spielten eine große Rolle. Außerdem verunsicherte mit HIV ein unbekanntes Virus die ganze Gesellschaft.“

Diese Gemengelage ist für die heutige Studierendengeneration gar nicht so anders: Ukrainekrieg, Klimakrise und Corona haben sicher Geglaubtes ins Wanken gebracht. Gisela Degener hat allerdings beobachtet, dass der Umgang mit diesen Herausforderungen ein anderer ist: „In den Achtzigern schlossen sich die Menschen eher zusammen, wurden aktiv und versuchten, gemeinsam gegen die Probleme anzugehen. Heute sehen wir tendenziell eher eine Vereinsamung, ein leises Verzweifeln.“ Die Digitalisierung der Kommunikationswege und des Studierverhaltens befördern diese Vereinsamung in bedeutsamem Maß.

Vernetzung stärken: Gegen Isolation im Studium

Die Vereinzelung, der fehlende Austausch zwischen den Studierenden, ist nach Einschätzung der erfahrenen Psychotherapeutin eine der Hauptursachen für viele Probleme. Insbesondere die isolierenden Pandemiejahre haben viel zerstört. Deshalb nutzte Gisela Degener gerade ihre letzten drei Arbeitsjahre, in denen sie den PBS leitete, um vielfältige Angebote zur Vernetzung zu schaffen und die Studierenden zum Austausch zu ermutigen. „Wir konnten gut beobachten, wie die Studierenden im Austausch regelrecht aufgeblüht sind. Oft war ihnen gar nicht bewusst, wie dringend sie den Kontakt zu anderen brauchen.“

Persönlichkeitsentwicklung gehört ins Studium

Gemeinschaft, Kontakt und Präsenz sind und bleiben Schlüsselkonzepte in der Arbeit des PBS. Gisela Degener und ihr Team sind überzeugt: Das Studium ist nicht nur eine Zeit der akademischen Bildung, sondern auch der Persönlichkeitsentwicklung. Sich selbst zu reflektieren, persönliche Kompetenzen zu erweitern und auch das Scheitern zu lernen – all das sind aus Sicht der Beraterinnen und Berater wichtige Lernprozesse, die in diesen prägenden Jahren stattfinden sollten.

Zum Abschied: Ein Rat für Studierende

Und welchen Tipp gibt Gisela Degener Studierenden, um psychische Belastungen möglichst zu vermeiden? „Geht aufeinander zu, redet miteinander. Vergleicht euch nicht, normiert euch nicht, sondern feiert eure Individualität und bildet Gemeinschaften!“


Ein Blick zurück: Die Entstehung des PBS

Mit Gisela Degener verlässt das letzte Mitglied der „Gründungsgeneration“ den PBS. Anfang der 1980er Jahre entschieden das Präsidium der Universität und die Geschäftsführung des Studierendenwerks, psychologische Beratung auf dem Campus – Counselling nach US-amerikanischem Vorbild – zu etablieren. Von Anfang an entstand diese „Psychosoziale Beratungsstelle“ als Kooperationseinrichtung von Uni und Studierendenwerk.

In den ersten Jahren, beschreibt Gisela Degener, ähnelte die Arbeit der Mitarbeitenden im PBS oft der klassischen Sozialarbeit: Die jahrzehntelang sehr beliebte und gut besuchte „Teestube“ in den Räumlichkeiten des PBS hatte etwas von einem Jugendzentrum. Gleichzeitig betreuten PBS-Mitarbeitende psychisch kranke Studierende in therapeutischen Wohngruppen.

In den späten 1980er Jahren fokussierte sich die Arbeit auch auf ein anderes Thema, das gerade junge Menschen zu dieser Zeit stark beschäftigte: Unter dem Motto „Sich informieren – sich schützen“ lief eine groß angelegte AIDS-Präventionskampagne. Gisela Degener stieß 1987 im Rahmen einer Projektstelle in diesem Bereich zum PBS.


Neue Leitung: Wer folgt auf Gisela Degener?

Auf Gisela Degener folgt Marlies Hölscher-Dielenschneider an der Spitze des PBS. Die Psychotherapeutin hat viele Jahre in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern des Landkreises Ammerland gearbeitet. „Jetzt freue ich mich darauf, zusammen mit dem Team junge Erwachsene in ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu begleiten.“