BAföG: Besonderheiten bei Behinderung
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) steht auch für behinderte und chronisch kranke Studierende zur Studienfinanzierung an erster Stelle, wenn keine ausreichenden eigenen Mittel zur Verfügung stehen. Es sei denn, andere Kostenträger finanzieren das Studium. Dies kann der Fall sein, wenn die Behinderung Folge eines Impfschadens, eines Arbeitsunfalles oder eines Unfalls bei dem Besuch von Kinderhort oder Schule ist.
Bei der Feststellung der Behinderung geht das Amt für Ausbildungsförderung entsprechend der allgemeinen Verwaltungsvorschrift im Regelfall von Bescheinigungen anderer Stellen aus, z. B. in Form des Schwerbehindertenausweises. Nach §3 Schwerbehindertengesetz ist eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht.
Weitere Informationen zum Thema finden sich in dem sehr informativen Handbuch "Studium und Behinderung", das von der Informationsstelle Studium und Behinderung beim Deutschen Studierendenwerk (DSW) herausgegeben wird. Du kannst es online lesen oder direkt beim DSW (etwa per E-Mail) oder bei der Behindertenberaterin des Studierendenwerks Oldenburg.
Härtefreibetrag bei der Einkommensermittlung
Das BAföG berücksichtigt die besondere Situation behinderter Studierender durch verschiedene Bestimmungen. So ist Voraussetzung für den Bezug von Leistungen nach BAföG, dass der Ausbildungsbedarf weder durch eigenes Einkommen und Vermögen noch durch Einkommen und Vermögen des Ehegatten, der Ehegattin oder der Eltern voll gedeckt wird. Eine Behinderung wirkt sich hier insofern aus, als bei Ermittlung des Einkommens der Eltern auf Antrag ein zusätzlicher Härtefreibetrag angesetzt wird (§25 Abs. 6 BAföG).
Dadurch verändert sich die Einkommensgrenze zugunsten des BAföG-Empfängers.
Berücksichtigt wird nicht nur eine Behinderung des Studierenden, sondern auch die eines unterhaltsverpflichteten (Elternteil, Ehepartner*in) oder eines anderen unterhaltsberechtigten Familienmitglieds. Zur Beantragung muss die Erklärung über außergewöhnliche Belastungen ausgefüllt und die Behinderung nachgewiesen werden durch einen Schwerbehindertenausweis oder den Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes, falls der Grad der Behinderung weniger als 50% beträgt. Dieser Antrag ist vor dem Ende des Bewilligungszeitraumes zu stellen.
So wie im Steuerrecht können bei den außergewöhnlichen Belastungen auch z. B. Krankheitskosten aufgrund einer chronischen Erkrankung angegeben werden, eine anerkannte Schwerbehinderung ist hierbei keine zwingende Voraussetzung.
Tipp: Auf jeden Fall den BAföG-Antrag stellen, da der Härtefreibetrag viel ausmachen kann.
Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus
Wie lange Studienförderung gewährt wird, richtet sich nach der für jeden Studiengang festgelegten Förderungshöchstdauer (FHD). Darüber hinaus besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, dass über die Förderungshöchstdauer hinaus Ausbildungsförderung geleistet wird (§15 Abs. 3 BAföG).
Behinderung
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG ist z.B. eine Behinderung ein Grund, der zu einer Weiterförderung führen kann. Rechtzeitig vor dem Ende der FHD ist ein Folgeantrag zu stellen. Zusätzlich muss glaubhaft gemacht werden, dass sich die Ausbildung aufgrund einer Behinderung verzögert hat und es nicht möglich war, die Ausbildungsverzögerung zu verhindern.
Damit der Antrag auf Förderung über die Höchstdauer hinaus Erfolg haben kann, muss zusätzlich eine Prognose über den zukünftigen Studienverlauf in die Begründung eingebaut werden. In Einzelfällen kann es vorkommen, dass diese Prognose von der*dem zuständigen BAföG-Beauftragten deines Fachs oder dem Prüfungsamt bestätigt werden muss. Die zuständige Person findest du über die Internetseite deiner Fakultät oder deines Fachbereichs.
Im Grundstudium aufgetretene Verzögerungen können bei der Beantragung von Förderung über die FHD hinaus nur dann anerkannt werden, wenn sie am Ende des 4. Fachsemesters bereits zu einer späteren Vorlage des Leistungsnachweises nach § 48 Abs. 2 BAföG geführt hatten und die Verzögerung im Hauptstudium nicht aufgeholt werden konnte. Bei einer anerkannten Verzögerung wegen Behinderung wird die Förderung über die FHD hinaus in voller Höhe als Zuschuss geleistet (§ 17 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 2 BAföG).
Krankheit
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG kann eine Krankheit, die zu einer Ausbildungsverzögerung geführt hat, einen schwerwiegenden Grund für eine Gewährung von Förderung über die FHD hinaus darstellen. Auch in diesen Fällen muss glaubhaft gemacht werden, dass die Krankheit ursächlich für die Ausbildungsverzögerung war und die Verzögerung nicht verhindert werden konnte (s.o.).
Die Förderung wird nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen geleistet.
Tipp: Wenn es in den ersten Semestern deines Studiums schon zu krankheits- oder behinderungsbedingten Studienverzögerungen kommt, melde dies auf jeden Fall dem BAföG-Amt im Zusammenhang mit der Vorlage nach § 48. Eine nachträgliche Berücksichtigung ist nicht möglich.
Noch ein Tipp: Die Materie "BAföG-Verlängerung" ist kompliziert. Eine Beratung zum Thema ist daher dringend zu empfehlen (beim Sozialreferat des AStA der Universität, der Behindertenberatung oder Frau Lammers, stv. Abteilungsleitung).
Leistungsnachweise nach dem 4. Fachsemester
Am Ende des 4. Fachsemesters muss jede*r geförderte Studierende einen Leistungsnachweis nach § 48 Abs. 1 BAföG darüber vorlegen, ob die bis zum Ende des 4. Fachsemesters studienüblichen Leistungen rechtzeitig erbracht wurden (Formblatt 5).
Wenn es innerhalb der ersten vier Semester des Studiums bereits aus Gründen, die später voraussichtlich eine Förderung nach § 15 Abs. 3 BAföG über die Förderungshöchstdauer hinaus rechtfertigen würden, zu einer Studienverzögerung gekommen ist, kann nach § 48 Abs. 2 BAföG eine spätere Vorlage des Leistungsnachweises zugelassen werden. In anderen Worten können behinderungs- oder krankheitsbedingte Gründe geltend gemacht werden.
Rechtzeitig vor dem Ende des Bewilligungszeitraumes ist ein Folgeantrag (übliche Formblätter) zu stellen. Diesem Antrag ist auch ein Formblatt 5 beizufügen, aus dem hervorgeht, dass (im Falle einer Verzögerung) nicht alle üblichen Leistungsnachweise erbracht werden konnten. Zusätzlich muss glaubhaft gemacht werden, dass sich die Ausbildung z.B. aufgrund einer Behinderung verzögert hat und es nicht möglich war, die Ausbildungsverzögerung zu verhindern.
Es ist eine Erklärung/Prognose über die weitere Ausbildungsplanung vorzulegen, also darüber, welche Leistungsnachweise noch zu erbringen sind, um einen positiven Leistungsnachweis zu erhalten, und wann diese Leistungsnachweise voraussichtlich erbracht werden können. In Einzelfällen kann es vorkommen, dass diese Prognose von der*dem zuständigen BAföG-Beauftragten deines Fachs (zu finden über die Internetseiten deiner Fakultät oder deines Fachbereichs) oder dem Prüfungsamt bestätigt werden muss.Über den Antrag nach § 48 Abs. 2 BAföG erteilt das BAföG-Amt einen gesonderten Bescheid.
Tipp: Wenn aus krankheits- oder behinderungsbedingten Gründen nicht alle für einen positiven Leistungsnachweis notwendigen Studienleistungen erbracht werden konnten, sollte nicht auf eine Antragstellung verzichtet werden, sondern ein sog. „negativer Leistungsnachweis“ gestellt werden, um eine Verlängerung zu erreichen.
Abbruch der Ausbildung oder Wechsel des Studienfaches
Nach einem Abbruch der Ausbildung oder Wechsel der Fachrichtung kann nach § 7 Abs. 3 BAföG Förderung für eine andere Ausbildung geleistet werden.
Liegt ein wichtiger Grund nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 BAföG vor, muss der Ausbildungsabbruch oder Fachrichtungswechsel bis zum Beginn des 4. Fachsemesters erfolgt sein, also innerhalb der ersten drei Semester.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 kann aber auch ein unabweisbarer Grund ursächlich für einen Abbruch oder Wechsel sein.
Erfolgt der Abbruch oder Wechsel erst nach dem Beginn des vierten Fachsemesters, so wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung nur noch geleistet, wenn unabweisbare Gründe für den Abbruch oder Wechsel vorgelegen haben. Ein unabweisbarer Grund ist z.B. eine unerwartete – etwa als Unfallfolge eingetretene – Behinderung oder eine Allergie gegen bestimmte Stoffe, die die Ausbildung oder die Ausübung des bisher angestrebten Berufs unmöglich macht.
Bei einem ersten Wechsel aus einem wichtigen Grund bis zum Ende des dritten Semesters kann die neue Regelstudiendauer voll gefördert werden ohne Anrechnung der bereits im ersten Studiengang verbrauchten Semester. Auch bei einem Wechsel aus unabweisbarem Grund wird der neue Studiengang voll gefördert.
Behinderungsbedingte Mehrausgaben
Behinderungsbedingte Mehraufwendungen finden in der Höhe der Leistungen nach dem BAföG keine Berücksichtigung.
Diese können unter Umständen bei anderen Kostenträgern beantragt werden.
Berücksichtigung der Behinderung bei der Darlehensrückzahlung
Ca. 4 1/2 Jahre nach Ablauf der Förderungshöchstdauer erteilt das Bundesverwaltungsamt einen Bescheid über die Höhe der Darlehensbeträge und das Ende der Förderungshöchstdauer. Bis zu einem Monat später kann ein Antrag auf Berücksichtigung behinderungsbedingter Aufwendungen (nach § 18a Abs. 1 BAföG) gestellt werden. Bei Anerkennung dieser Mehraufwendungen erhöht sich die Einkommensgrenze, bis zu der BAföG-Empfänger von der Rückzahlung freigestellt werden.
BAföG bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente
Behinderte und chronisch kranke Studierende erhalten teilweise Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie zusätzlich BAföG bekommen. Deshalb sollten Betroffene versuchsweise einen BAföG-Antrag stellen. Selbst eine Ablehnung kann hilfreich sein, wenn an andere Kostenträger herangetreten wird.
Erhöhung der Altersgrenze
Die Altersgrenze von 45 Jahren bei Studienbeginn kann bei behinderten oder chronisch kranken Studieninteressierten oder Studierenden angehoben werden, wenn das Studium aus persönlichen, in diesem Falle krankheitsbedingten Gründen nicht früher aufgenommen werden konnte. Nähere Hinweise zum Verfahren findest du hier.
Vermögensanrechnung
Die Vermögensfreigrenze bei Auszubildenden liegt bei 15.000 € für unter 30-Jährige und 45.000 € für über 30-Jährige. Zur Vermeidung "unbilliger Härten“ kann ein weiterer Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben.
Beispiele:
- Solange das Vermögen nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstückes bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll.
- Ein Vermögen, das zur Milderung der Folgen einer körperlichen oder seelischen Behinderung bestimmt ist.