Gemeinsam weiterkommen
„Austausch trägt.“ – So bringt es Gisela Degener, Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle (PBS), auf den Punkt. Es muss gar nicht immer ein Gespräch mit einer Psychologin oder einem Psychologen sein, um Studierenden zu helfen, haben sie und ihr Team festgestellt. In vielen Fällen brauchen die Studierenden vor allem Eines: Austausch untereinander und das Gefühl, nicht allein zu sein.
„Seit einigen Jahren können wir uns vor Anfragen nicht retten“, sagt Gisela Degener. Die Corona-Zeit sei ein Wendepunkt gewesen. „Die Erfahrung, im Wesentlichen alleine dazustehen, ist zum Gefühl und zum Glaubenssatz geworden. Auch der Studienalltag hat sich verändert – nur scheinbar ist alles beim Alten.“
Viele Studierende haben Jahre des isolierten Lernens hinter sich. Und noch heute ist der Kontakt zu anderen keine Selbstverständlichkeit: Wer will, kann sein Studium fast vollständig vom Schreibtisch aus absolvieren – Mitschnitte statt Vorlesung, Folien statt Diskussion. Praktisch? Ja. Aber: „Wenn reale Begegnungen zur Ausnahme werden, wird’s kritisch“, so Degener. „Sich mit anderen auszutauschen, gespiegelt und beantwortet zu werden, sind menschliche Grundbedürfnisse und absolute Voraussetzung für kreatives Denken.“
Neue Wege zur Selbsthilfe
Der Beratungsbedarf ist groß, die Ressourcen begrenzt. Deshalb hat der PBS zwei starke Kooperationen gestartet. Eine davon: ein gemeinsames Projekt mit der BeKoS (Beratungs- und Koordinierungsstelle für Selbsthilfegruppen Oldenburg) und dem Studentischen Gesundheitsmanagement (SGM) der Universität Oldenburg.
„Uns ist aufgefallen, dass sich bestimmte Themen in den Einzelgesprächen ständig wiederholen“, erklärt Degener. Daraus entstand die Idee, Studierende mit ähnlichen Erfahrungen zusammenzubringen – nicht in einer klassischen Beratung, sondern im geschützten Rahmen einer Selbsthilfegruppe.
Seit dem Wintersemester 2024/25 gibt es dieses Angebot. Die Aufgaben sind klar verteilt:
- Der PBS identifiziert passende Themen und spricht gezielt Ratsuchende an.
- Die BeKoS begleitet die ersten Gruppentreffen und hilft beim Start.
- Das Studentische Gesundheitsmanagement organisiert E-Mail-Adressen und Räume – damit die Treffen direkt auf dem Campus stattfinden können.
„Die Zusammenarbeit läuft richtig gut“, freut sich Degener. Erste Gruppen haben sich bereits gegründet – zum Beispiel zu Studierenden mit Depressionen. In Planung ist eine Gruppe für internationale Studierende, deren Heimatländer von Krieg und Konflikten geprägt sind.
Bewährte Idee neu gedacht: Arbeitsstrukturierungsgruppen mit Tutor*innen
Ein Klassiker im PBS sind die sogenannten Arbeitsstrukturierungsgruppen, kurz ASG. Seit Jahrzehnten helfen sie Studierenden dabei, ihre Projekte voranzubringen. Der Trick dabei: Alle Teilnehmer*innen der Gruppe planen unter Berücksichtigung weiter entfernt liegender Ziele immer nur die vor ihnen liegende Woche, um Schritt für Schritt durch das Studium zu gehen. Das schafft Verbindlichkeit und erhöht die Motivation.
Den Rahmen für diese Gruppen stellen, die Teilnehmenden mit Tipps und Hinweisen versorgen – dafür braucht es aber nicht zwangsläufig Psycholog*innen. Stattdessen, so die Idee, könnte man die ASG in die Hände von gut geschulten Tutor*innen geben. Es stärkt auch die Kraft durch Gemeinschaft und das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Auch für dieses Anliegen fand Gisela Degener Kooperationspartner: Die Lernwerkstatt in der Studienberatung (ZSKB) und das SGM der Universität Oldenburg.
Gemeinsam wurde ein neues Konzept auf die Beine gestellt:
- Der PBS übernahm die Schulung zu psychologischen Aspekten wie Prokrastination und Arbeitsblockaden.
- Die Lernwerkstatt steuerte Wissen in Feldern wie Lernstrategien bei.
- Der PBS führt eine regelmäßige Supervision der Tutorinnen und Tutoren durch.
- Das SGM sorgt für die äußeren Rahmenbedingungen.
Seit Mai 2025 läuft das Modell. „Mit dieser Lösung können wir mehr Studierende erreichen und gleichzeitig Qualität sichern“, sagt Degener. Eine Win-win-Situation – für alle, die endlich ins Arbeiten kommen wollen.
Durch diese Kooperationen wurde Kapazität frei für Einzelgespräche, Gruppenangebote und Workshops, die das Kerngeschäft des PBS ausmachen.
Qualität sichern, Gemeinschaft stärken und gleichzeitig mehr Studierende erreichen: das leistet das neue Konzept für die Arbeitsstrukturierungsgruppen.
Ratsuchende im PBS 2024
Die Top 3 Beratungsthemen 2024
im Bereich der persönlichen Probleme (78% der Beratungsanliegen)
1. Identitäts-/Selbstwertprobleme
2. Stressbewältigung/Erschöpfung
3. Ängste
im Bereich der studienbezogenen Probleme (22% der Beratungsanliegen)
1. Lern- und Arbeitsstörung
2. Studienabschlussprobleme
3. Arbeitsorganisation