Studienfinanzierungsberatung: Das Ende der Sozialberatung?
Studienfinanzierungsberatung, Sozialberatung, Behindertenberatung und Psychologische Beratung – das war seit Jahrzehnten das Beratungs-Repertoire des Studierendenwerks. Schaut man sich jedoch auf der neuen Website um, sucht man die Überschrift „Sozialberatung“ vergeblich. Was ist da los?
Heiko Groen gibt Entwarnung: „Es gibt mich noch!“, lacht er. Bei der Neugestaltung der Website bot sich einfach die Gelegenheit, die Konsequenzen aus einer Beobachtung zu ziehen, die der Berater schon länger macht: „Der Begriff Sozialberatung ist für viele Studierende inzwischen wenig aussagekräftig. Sie fühlen sich nicht angesprochen, im schlimmsten Fall sogar abgeschreckt.“
Gleichzeitig stieg die Nachfrage bei seinem Kollegen Jens Müller-Sigl, der die Studienfinanzierungsberatung anbietet, stetig an. „Einen Teil der Ratsuchenden habe ich dabei immer direkt an Heiko Groen verwiesen, weil ihre Fragen seinen Bereich betrafen, etwa zum Thema Wohngeld, Steuern oder Jobben“, berichtet Müller-Sigl.
Wovon lebe ich, während ich studiere?
Und so ist das Angebot beider Berater auf der neuen Website, die im November 2024 online ging, unter dem Stichwort „Studienfinanzierungsberatung“ zu finden. So soll für die Studierenden direkt klar werden, wohin sie sich mit ihrer zentralen Frage – „Wovon lebe ich, während ich studiere?“ – wenden können. Die beiden Berater greifen dann auf die Expertise in ihrem jeweiligen Beratungsschwerpunkt zurück: Jens Müller-Sigl sucht nach Antworten in den Bereichen BAföG-Sonderregelungen und Hilfsprogramme. Heiko Groen hingegen fokussiert die Geldquellen, die eher aus dem Bereich Sozialstaat kommen, und kennt sich zudem mit Themen wie Krankenversicherung oder den Fallstricken beim Statuswechsel bei der Exmatrikulation aus.
FAQs auf der neuen Website ermöglichen Durchblick im Wirrwarr der Sozialleistungen.
Die Fragen, mit denen Ratsuchende sich an die Beratung des Studierendenwerks wenden, hat Heiko Groen auch ins Zentrum seiner Überlegungen gestellt, als es um die Aufbereitung seiner Beratungsinhalte für die neue Website ging. Seit vielen Jahren bietet er nämlich online vertiefende Informationen zum Nach- und Weiterlesen an, zum Beispiel zu verschiedenen Sozialleistungen. Naturgemäß sind diese Informationen aber sehr komplex und für Laien ist es nicht einfach, einen Einstieg zu finden.
Die Informationsarchitektur der neuen Website setzt deshalb stark auf FAQs. Die Studierenden können so ihre aktuelle Frage zum Ausgangspunkt nehmen, um sich in die Materie einzulesen. Um die bestehenden Informationen entsprechend umzuarbeiten, hat Heiko Groen im Jahr 2024 viel Zeit investiert. „Ich hoffe, dass es den Studierenden nun noch leichter fällt, sich zu informieren – und dass sie mit unserer Hilfe den passenden Weg finden, ihr Studium zu finanzieren“, meint der „neue“ Studienfinanzierungsberater.
Wenn Studiengebühren den Abschluss gefährden
Als eines von nur vier Bundesländern erhebt Niedersachsen so genannte Langzeitstudiengebühren. Konkret müssen dadurch Studierende ab dem 7. Semester über der Regelstudienzeit 500 Euro pro Semester zahlen. Hinzu kommt der übliche Semesterbeitrag von bis zu 415 Euro – eine ganze Menge Geld also, das erstmal verdient werden muss. Das Problem: „Gegen Ende des Studiums bleibt den Studierenden oft weniger Zeit zum Arbeiten, weil beispielsweise die Frist zur Abgabe der Abschlussarbeit naht“, weiß Studienfinanzierungsberater Jens Müller-Sigl. „In dieser Situation kann ein kurzfristiges Darlehen ein Ausweg sein, beispielsweise über den Nothilfefonds des DSW.“
Das ist in vielen Fällen eine gute und verhältnismäßig unbürokratische Lösung, zumal die Antragstellung direkt im Rahmen der Beratung erfolgen kann. Einer Gruppe ist dieser Lösungsweg allerdings oft versperrt: Den internationalen Studierenden in der Studienabschlussphase. „Die Anzahl der Anfragen aus dieser Gruppe nimmt spürbar zu, was nicht überraschend ist angesichts der immer internationaleren Studierendenschaft“, berichtet der Berater. Eine Voraussetzung für die Vergabe eines Darlehens aus dem Nothilfefonds können diese Studierenden aber kaum erfüllen: Sie müssen eine bürgende Person haben – und entsprechende Kontakte in Deutschland haben die wenigsten. „Für diese Gruppe braucht es also andere Lösungen“, weiß Jens Müller-Sigl.
Studienstartdarlehen bleibt wichtig
Im WS 2024/25 konnten Studienanfänger*innen aus einkommensschwachen Familien im Rahmen des BAföG erstmals die „Studienstarthilfe“ beantragen: Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sie 1.000 Euro als Zuschuss, also geschenkt. Ist damit das „Studienstartdarlehen“ des Studierendenwerks obsolet geworden?
Keineswegs, betont Studienfinanzierungsberater Jens Müller-Sigl. Denn auch wenn der Name der beiden Instrumente sehr ähnlich ist, gibt es einen zentralen Unterschied: Um die Studienstarthilfe zu beantragen, muss der oder die Studierende bereits immatrikuliert sein. Die Immatrikulation aber kostet Geld, aktuell bis zu 415 €. Junge Menschen, die diese Summe nicht aufbringen können, drohen so schon am Studium zu scheitern, bevor es überhaupt begonnen wurde.
Damit das Studium nicht scheitert, bevor es begonnen hat…
Das Studienstartdarlehen will genau dieses Dilemma lösen: Junge Menschen können es beantragen, um damit ihre Immatrikulationsgebühr zu bestreiten. Wenn sie dann eingeschrieben sind, erhalten sie die Studienstarthilfe – und können dieses Geld zum Beispiel dafür nutzen, das Darlehen direkt zurückzuzahlen.
Die Studienfinanzierungsberatung des Studierendenwerks begleitet die Studienanfänger durch den gesamten Prozess. „Oft verweisen die Studienberatungen der Hochschulen Studieninteressierte, die die Immatrikulationskosten nicht tragen können, direkt an mich“, erzählt Jens Müller-Sigl. „In einem ersten Termin beantragen wir das Studienstartdarlehen. Dieses wird ganz unkompliziert direkt von uns an die Hochschule überwiesen.“ Bei weiteren Terminen hilft der Berater dann dabei, den BAföG-Antrag zu stellen - und achtet natürlich auch darauf, die Studienstarthilfe zu beantragen. Denn beide Instrumente – Studienstartdarlehen und Studienstarthilfe – sind wichtig, um jungen Menschen aus einkommensschwachen Familien den Weg ins Studium zu ebnen.
Fakten
Die häufigsten Beratungsthemen im Schwerpunkt Sozialleistungen
| Sozialleistungen | 630 |
| Kranken- und sonstige Sozialversicherung | 224 |
| Jobben | 172 |
| Studienabschluss (Finanzierung während des Abschlusses und danach, Statuswechsel) | 104 |
| Kredite | 65 |
| Studienorganisation (z.B. Beurlaubung) | 58 |
| Stipendien | 30 |
| Unterhalt | 26 |
| Aufenthaltsrecht (intl. Stud.) | 22 |